Das Leben mit einem Neugeborenen ist unbeschreiblich schön, manchmal aber auch herausfordernder als gedacht.

Nach neun Monaten Schwangerschaft kommt der Moment, wenn aus Vorfreude Realität wird. Nach der ersten aufregenden Autofahrt nach Hause stellt man die Babyschale im Hausgang ab und fragt sich vielleicht: Wie wird es jetzt weitergehen?“ Da ist dieses kleine Wesen, das so viel Aufmerksamkeit braucht und einen vor so viele Herausforderungen stellt, mit denen man im Vorfeld gar nicht rechnet. Die Geburt eines Kindes ist für die Mutter eine tiefgreifende Veränderung – körperlich, emotional und sozial –, die oft unterschätzt wird.

Von der berufstätigen Frau zur Vollzeit-Mama

Viele Frauen haben vor der Geburt berufliche Routinen, klare Strukturen und Erfolgserlebnisse. „Dann kommt das Kind und auf einmal ist alles anders“, berichtet Familienbegleiterin Andrea Seehauser aus der Praxis.

Quelle: Netzwerk Gesund ins Leben
Seehauser betont den Stellenwert einer raschen und professionellen Hilfe für den ersten Lebensabschnitt einer jungen Familie.

Was zuvor selbstverständlich war – soziale Kontakte, geregelte Abläufe, Anerkennung –, wird mit einem Mal in Frage gestellt. Besonders herausfordernd wird es, wenn familiäre Unterstützung fehlt, weil man beispielsweise umgezogen ist oder Wert auf Unabhängigkeit legt. Hinzu kommt die eigene Vorstellung, wie Mutterschaft „sein sollte“. Die Realität sieht oft anders aus: unruhige Nächte, körperliche Erschöpfung, ständige Verfügbarkeit. Seehauser: „Viele Frauen stehen dann vor einer Situation, die sie sich oft ganz anders vorgestellt oder gewünscht hatten. In dieser Phase entsteht der Druck, alles perfekt machen zu wollen. Die Ansprüche an sich selbst steigen – und das auf einem Terrain, das man gerade erst zu verstehen beginnt.“

Der Wandel der Rollenbilder

Quelle: Netzwerk Gesund ins Leben
Sandra Aufhammer vom Netzwerk Gesund ins Leben

Mit der Geburt eines Babys entstehe auch für seine Mutter eine neue Identität. „Plötzlich ist man in der Verantwortung, und das verändert alles, auch die Beziehung“, weiß Sandra Aufhammer, Landesleiterin des Netzwerkes Gesund ins Leben. „Väter durchlaufen diesen Prozess ebenfalls, doch gesellschaftlich liegt die Hauptverantwortung nach wie vor bei der Mutter.“ Nach wie vor wird erwartet, dass Frauen gleichzeitig beruflich erfolgreich, emotional verfügbar und körperlich präsent sind. Wenn sie aber arbeiten, gelten sie als „Rabenmütter“. Und wenn sie zu Hause bleiben, wird ihnen unterstellt, sie machen es sich bequem. „Dieses Spannungsfeld erschwert die Selbstakzeptanz und lässt viele Frauen an sich zweifeln.“

Soziale Medien und der Druck zur Perfektion

„Warum stillst du nicht?“ Diese scheinbar harmlose Frage transportiert jedoch oft eine verurteilende Haltung. Social Media verstärkt diesen Druck, den sich Frauen leider oft gegenseitig machen. „Man bekommt ständig vermittelt, wie es laufen sollte: perfekt gestylte Mütter, brave Babys, harmonische Familien“, weiß Aufhammer. Das Problem dabei sei: „Kaum jemand spricht offen über Unsicherheiten, Erschöpfung oder Überforderung.“ Dadurch entstehe ein verzerrtes Bild von Mutterschaft. Eines, an dem viele scheitern müssen.

“Viele Frauen stehen dann vor einer Situation, die sie sich anders vorgestellt oder gewünscht hatten.” – 
Andrea Seehauser

Angebot Frühe Hilfen: ein Netz, das trägt

Seit Anfang 2023 gibt es in Österreich flächendeckend das Angebot der „Frühen Hilfen“. Dabei geht es nicht nur um Ratschläge zur Babypflege, sondern um ganzheitliche Unterstützung. „Wir starten auf Wunsch bereits in der Schwangerschaft“, erklärt Andrea Seehauser. „Im Zuge von Hausbesuchen finden wir heraus, welche Themen die jeweilige Familie betreffen und wie wir diese zielgerichtet unterstützen und Lösungen anbieten können.“ Meist gehe es darum, Stress zu reduzieren, das Selbstvertrauen der Eltern zu stärken und den Alltag zu strukturieren. „Die Hilfe reicht von Hausbesuchen über Freiwilligennetzwerke bis hin zu psychotherapeutischer Unterstützung. Und das bei Bedarf für eine Zeitspanne von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr des Kindes.“
Besonders sensibel sei die Phase des Wochenbetts. „Eigentlich sollte sich die Frau in dieser Zeit körperlich und seelisch erholen dürfen“, sagt die Familienbegleiterin. Doch statt Rückzug und Regeneration stehe oft nur das „Funktionieren“ im Vordergrund, insbesondere am Bauernhof, wo neben der Kinderbetreuung auch Stallarbeiten oder sonstige Verpflichtungen warten. „Da bleibt die Frau oft auf der Strecke.“

Quelle: Bostan Natalia – Stock.Adobe.com
Nicht immer läuft alles nach Plan, wenn das Baby da ist.

Generell zielen die Frühen Hilfen darauf ab, Familien dahingehend zu unterstützen, dass sie den Alltag aus eigener Kraft bewältigen können. „Gerade deshalb macht es Sinn, diese frühzeitig in Anspruch zu nehmen, bevor die Situation eskaliert.“ Oft seien es kleine Hilfestellungen, die auf lange Sicht aber viel Positives bewirken würden. „Das gilt vor allem auch für den ‚Babyblues‘, aus dem sich leider sehr häufig eine postpartale Depression entwickelt. Ein schnelles Eingreifen oder Handeln verhindere viel Leid sowohl für Mütter als auch die ganze Familie.

Ein Appell an die Väter

„Traut euch, präsent zu sein“, lautet die Botschaft an Väter. Auch sie sollten sich nicht entmutigen lassen, wenn es nicht gleich reibungslos läuft. Gleichzeitig geht der Appell an Mütter, diesen Raum auch zuzulassen: „Nur weil Papa es anders macht, ist es nicht falsch. Unterschiedliche Zugänge fördern die kindliche Entwicklung.“
Für alle Eltern wiederum gilt: Sich Hilfe zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil. „Fast alle Eltern geben ihr Bestes. Manchmal braucht es einfach jemanden, der hilft, diesen Einsatz in die richtige Richtung zu lenken.“

“Unterschiedliche Zugänge fördern die kindliche Entwicklung” – Sandra Aufhammer

Fazit

Mutterschaft ist eine tiefgreifende Transformation – mit körperlichen, psychischen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Sie verlangt Geduld, Offenheit und Unterstützung. Wer es schafft, den Anspruch der Perfektion abzulegen, seine sozialen Netzwerke zu stärken und realistische Erwartungen zu entwickeln, kann das neue Leben als Mutter nicht nur bewältigen – sondern auch genießen. Denn Mutterschaft ist nicht leicht – aber eines der schönsten Abenteuer des Lebens.

Mutterglück trotz Alltagsdruck

Werdende Eltern und Familien mit Kleinkindern sind oft unerwarteten Belastungen ausgesetzt. Um ihr aller Wohl zu festigen, werden österreichweit „Frühe Hilfen“ angeboten. Diese stehen den Familien professionell, kostenlos und unterstützend zur Seite. Das Angebot richtet sich an werdende Eltern und Familien mit Kindern bis zum Alter von drei Jahren und hilft bei vielen Anliegen, zum Beispiel:

-wenn es in der Schwangerschaft zu unerwarteten Veränderungen und Stress kommt,
-wenn wenig Unterstützung vom Partner, der Partnerin und im familiären Umfeld da ist,
-wenn das Kind mehr Aufmerksamkeit braucht, als man geben kann,
-wenn das Geld nicht mehr reicht,
-auch wenn es einem Familienmitglied dauerhaft psychisch schlecht geht,
-wenn das tägliche Zusammenleben in der Familie zunehmend schwierig wird
-und wenn keine Zeit für Entspannung bleibt.

- Bildquellen -

  • Andrea Seehauser: Netzwerk Gesund ins Leben
  • Sandra Aufhammer: Netzwerk Gesund ins Leben
  • Baby: Bostan Natalia – Stock.Adobe.com
  • Mutter und Neugeborenes: leszekglasner – stock.adobe.com
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AUTORElisabeth Angerer
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