Betreuen und bilden am Land

Wie können ältere Menschen und Kinder bestmöglich betreut und gebildet werden und gleichzeitig Natur, Tiere und Landwirtschaft erleben? Diese Fragen klärten einige Vorzeigebetriebe bei der fünften Green Care-Tagung in Wien-Schönbrunn.

Die Kinder im Bauernhofkindergarten am Franzlhof backen jeden Montag gemeinsam ihr eigenes Brot für die Jause. ©ZVG
Die Kinder im Bauernhofkindergarten am Franzlhof backen jeden Montag gemeinsam ihr eigenes Brot für die Jause. ©ZVG
Eine “Win-win-Situation” für alle Menschen im ländlichen Raum zu schaffen. Das ist Ziel des Vereins “Green Care – Wo Menschen aufblühen”. Vereinsobmann und LK Wien-Direktor Robert Fitzthum erklärte zu Beginn der fünften Green Care-Tagung in der HBLFA Schönbrunn in Wien, dass durch Green Care neue Arbeitsplätze geschaffen würden und Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie Alt und Jung mit Green Care ein besonderes Betreuungsangebot vorfänden. Somit sollen alle von Green Care profitieren.

Jung und Alt am Hof

Veranstalter und Referenten der fünften Green Care-Tagung (v. l.): Eisenstraße Obfrau-Stv. Renate Gruber, Direktorin des Bildungszentrums Gaming Daniela Fux, Bauernhofkindergartenleiterin Bettina Haas, Familienministerin Sophie Karmasin, Green Care-Obmann Robert Fitzthum, Green Care-Geschäftsführerin Nicole Prop und Bgm. St. Anton/Jeßnitz, Waltraud Stöckl ©BZ/Zitz
Veranstalter und Referenten der fünften Green Care-Tagung (v. l.): Eisenstraße Obfrau-Stv. Renate Gruber, Direktorin des Bildungszentrums Gaming Daniela Fux, Bauernhofkindergartenleiterin Bettina Haas, Familienministerin Sophie Karmasin, Green Care-Obmann Robert Fitzthum, Green Care-Geschäftsführerin Nicole Prop und Bgm. St. Anton/Jeßnitz, Waltraud Stöckl ©BZ/Zitz
Im Rahmen der Tagung stellten Fitzthum und Green Care-Geschäftsführerin Nicole Prop die Tätigkeiten des Vereins vor. So gelang es in den vergangenen Jahren, ein bundesweites Kompetenznetzwerk aufzubauen. Dazu zählen neun Berater in den Bundesländern und die Zentrale in Wien mit drei Mitarbeitern. Auch das im vergangenen Jahr entwickelte Zertifizierungsprogramm laufe gut an, berichtete Fitzthum. Seit dem Start des Qualitätssicherungssystems im Juni 2015 wurden bereits 16 Betriebe zertifiziert. Ziel des Vereins ist es, bis 2018 insgesamt 45 Betriebe mit dem Zertifikat ausstatten zu können. Das Motto der Tagung lautete “Jung und Alt am Hof – Bildung und Betreuung im ländlichen Raum”. Dementsprechend standen zwei Kindergärten und eine Betreuungseinrichtung für ältere Menschen im Zentrum der Tagung. Familienministerin Sophie Karmasin zeigte sich über die Green Care-Projekte höchst erfreut. Sie schrieb sich zu Beginn ihrer Amtszeit auf die Fahnen, aus Österreich bis 2025 das familienfreundlichste Land in Europa zu machen. Im EU-Vergleich mangelt es in Österreich allerdings an Betreuungsplätzen für Kleinkinder.
Dem wirkt eine höchst engagierte Frau entgegen. Bettina Haas aus Pregarten (OÖ) gilt als Pionieren der Green Care-Bewegung. Sie gründete nach langen schwierigen Behördenwegen, wo nicht “Steine, sondern ganze Gebirgsketten” ihr in den Weg gelegt wurden, den Bauernhofkindergarten am Franzlhof.

Wollte nie Bäuerin werden

In der Region Eisenstraße soll am Hundsieglhof eine Tagesbetreuungseinrichtung für ältere Menschen entstehen. ©Theo Kust
In der Region Eisenstraße soll am Hundsieglhof eine Tagesbetreuungseinrichtung für ältere Menschen entstehen. ©Theo Kust
“Ich wollte nie Bäuerin werden”, erklärte Haas. Allerdings heiratete sie einen Bauern, und so versuchte die ausgebildete Kindergartenpädagogin beides – die Landwirtschaft und die Pädagogik – zu verbinden. Kein leichtes Unterfangen, da sie den ersten Bauernhofkindergarten Österreichs plante. Behördlich gesehen fühlte sich niemand dafür zuständig. Nach langen intensiven Gesprächen, viel Verhandlungsgeschick und großem Einsatz schaffte es Haas, den Kindergarten offiziell eröffnen zu können. Dieser erfüllt alle gesetzlichen Auflagen und startete vor acht Jahren mit zwölf Kindergartenkindern. Mittlerweile sind bereits 36 Kinder am Franzlhof. Mit dem Bauernhofkindergarten schaffte Haas außerdem sieben Arbeitsplätze.
Die Kindergartenleiterin hat zudem eine Ausbildung zur tiergestützten Therapie absolviert. Sie ist überzeugt: “Der Bauernhofkindergarten verändert das Leben der Kinder.” Beispielsweise könnten Kinder zu Tieren viel schneller eine Beziehung aufbauen als zu Menschen. Dadurch gewinnen sie Selbstvertrauen. “Und die Kinder erhalten einen Bezug zur Normalität”, so Haas. So dürfen die Kinder bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten helfen, erleben mit, wie Tiere geboren werden oder sterben.
Auch im Nachbarland Deutschland herrscht große Nachfrage nach Betreuungseinrichtungen für Kinder. Als Friederike Becker im bayerischen Olching ihren Bauernhofkindergarten ausschrieb, standen plötzlich 60 Kinderwägen und interessierten Eltern vor der Tür. Auch Becker erzählte von anfänglichen Behörden-Schwierigkeiten. Ihr Rat: “Nimm, was du hast.” Der Kindergarten sollte auf den Bauernhof zugeschnitten sein. Außerdem gelte es, ein Mittelmaß zu finden. “Ich könnte nicht 32 Kinder betreuen, wenn ich gleichzeitig 40 Sauen betreuen müsste”, so Becker. So findet man auf dem Bauernhofkindergarten Olching hauptsächlich Waldschafe, die sehr genügsam sind.

Am Weg zur Modellregion

Doch nicht nur junge Menschen brauchen Betreuung, sondern auch alte. Die Leader-Region Eisenstraße (24 Gemeinden im Ybbs- und Erlauftal, NÖ) will Modellregion und Kompetenzzentrum im Bereich Green Care werden. Ziel ist es, bis 2018 drei zertifizierte Betriebe in der Region Eisenstraße zu haben. Einer davon könnte bald der Hundsrieglhof in St. Anton an der Jeßnitz sein. Dort plant Sandra Punz ein Tagesbetreuungszentrum für älteren Menschen. Punz ist Bäuerin und diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester. Auch sie wollte nach der Heirat mit einem Bauern ihren Beruf als Krankenschwester nicht komplett aufgeben und kam deshalb auf die Idee, beides zu kombinieren. Sie möchte ein Betreuungszentrum aufbauen, das älteren Menschen ermöglicht, aus ihrem Alltag für ein paar Stunden auszubrechen und umgekehrt den betreuenden Angehörigen eine Verschnaufpause bietet. Außerdem bemerkte die Krankenschwester immer wieder, dass alte Menschen gebraucht werden wollen. Am Hundsrieglhof sollen sie die Möglichkeit erhalten, bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu helfen. Punz absolviert derzeit ihre Ausbildung zum Green Care-Coach im Bildungszentrum Gaming, das übrigens als einzige Schule österreichweit Green Care als eigenes Fachgebiet anbietet.
Die Direktorin des Bildungszentrums Gaming, Daniela Fux, betonte, wie wichtig es sei, Betriebe zu erhalten. Durch Green Care-Betriebe könnten zudem nicht nur Bauernhöfe und Arbeitsplätze erhalten, sondern zudem auch neue Ausbildungsplätze für die Schüler geschaffen werden. Es dürfe aber nicht vergessen werde, ein geplantes Green Care-Projekt genau durchzurechnen. “Sozialromantik ist hier nicht gefragt.” Als Ziel sieht Fux “die Erweiterung der bäuerlichen Kompetenzen”.

Abwanderung stoppen

Auch die Bürgermeisterin von St. Anton an der Jeßnitz, Waltraud Stöckl, betonte, man wolle mit den Green Care-Betrieben eine Verbindung schaffen: Die Green Care-Projekte sollen keine eigenständigen sozialen Einrichtungen werden, sondern immer mit der Landwirtschaft in Kombination stehen. Und einen weiteren Vorteil soll der Fokus auf Green Care der Region Eisenstraße bringen: “Green Care ist eine Antwort auf die demografischen Herausforderungen und soll der Abwanderung, insbesondere von Frauen, entgegenwirken”, erklärte die Eisenstraße Obmann-Stellvertreterin, Renate Gruber.

Eva Zitz

Green Care-Auszeithof: Neues Angebot geplant

• Bereich: Gesundheitsförderung und Prävention;
• Registrierte Wortbildmarke “Green Care-Auszeithof” zur Vermarktung gesundheitsförderlicher Angebote auf bäuerlichen Familienbetrieben;
• Zielgruppen: Personen jeden Alters, die Ruhe oder ein aktives Erholungsangebot am Bauernhof suchen sowie Firmen, die für ihre Mitarbeiter naturnahe Angebote für die betrieblichen Gesundheitsförderungsprogramme buchen möchten;
• Voraussetzung ist der erfolgreiche Abschluss des LFI Zertifikatslehrgangs “Green Care – Gesundheit fördern am Hof”;
Infos: www.greencare-oe.at

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