Auch EU-Parlamentarier demonstrierten gemeinsam mit Bauern und Verbänden.

Rund hundert Landwirte aus zahlreichen Ländern der Europäischen Union stellten sich am vergangenen Donnerstag auf dem Vorplatz des Europäischen Parlaments in Brüssel die Frage: „Wie passen wir noch ins Bild?“ Aus Protest gegen den geplanten EU-Rechtsakt zur Wiederherstellung der Natur verwandelten die europäischen Landwirtschaftsverbände Copa und Cogeca gemeinsam mit den Bauernverbänden den namhaften Place du Luxembourg kurzerhand in eine Agrarlandschaft, Traktorgespanne, Tierattrappen und Bodenbearbeitungsgeräte inklusive.
Bekanntermaßen sieht der Vorschlag der EU-Kommission in der Causa die Überführung sämtlicher Ökosysteme zu Land und zu Wasser in einen „guten“ Zustand bis zum Jahr 2050 vor. Bis 2030 soll zumindest ein Fünftel der Flächen den Anforderungen der Brüsseler Beamten entsprechen. Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, plant die Kommission zumindest 10 Prozent der Agrarfläche mit landschaftlichen Strukturelementen zu versehen. Bei den EU-Agrarverbänden Copa und Cogeca sorgt das für Kopfschütteln: „Der derzeitige Vorschlag lässt zukünftig wenig Raum für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau in Europa.“ Eine Verabschiedung gelte es jedenfalls zu verhindern, heißt es von Copa und Cogeca.

EVP demonstriert mit

Unterstützung erhielten die Bauern auch aus dem EU-Parlament selbst. Zahlreiche Abgeordnete reihten sich in den Demonstrationszug ein. Aus Österreich waren unter anderem die Parlamentarier des Bauernbundes Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber mit von der Partie. „Wenn unsere Argumente bei der EU-Kommission ständig auf taube Ohren stoßen, dann müssen wir eben hinaus auf die Straße“, schilderte Schmiedtbauer – selbst aktive Landwirtin – ihre persönlichen Beweggründe. Der für den Green Deal verantwortlich zeichnende EU-Kommissar Frans Timmermans bedrohe mit dem aktuellen Gesetzesvorschlag nicht nur den Fortbestand der bäuerlichen Familienbetriebe, monierte Schmiedtbauer, „Er streut auch Sand ins Getriebe der Transformation zu einem unabhängigeren und grüneren Europa“. Statt mit waghalsigen Gesetzestexten EU-Importe bei Lebensmitteln und Holz zu befeuern sei nun „Klima- und Umweltschutz mit Hausverstand“ gefordert, hielt sie fest. Mit ihren Ansichten ist die steirische Abgeordnete im Parlament keineswegs Einzelgängerin. Tags zuvor hatte sich die Europäische Volkspartei (EVP) – nach mehrfacher Androhung – geschlossen aus den parlamentsinternen Verhandlungen zum Gesetzesvorschlag zurückgezogen.

Deren Fraktionsvorsitzender Manfred Weber begründete den Schritt mit der Gefahr einer deutlich niedrigeren Nahrungsmittelproduktion, welche auch die Ernährungssicherheit in Afrika weiter gefährde. Noch konkreter wurde EVP-Chefverhandlerin Christine Schneider. Gegenüber dem Pressedienst Agra Europe bezeichnete sie den Vorschlag schlicht als „schlecht formuliert“. Die EU-Exekutive könne nicht erwarten, dass man eine Flächenreduktion „ohne eine umfassende Folgenabschätzung für die Ernährungssicherheit“ einfach akzeptiere, so Schneider.

Stimme des Umweltausschusses ausständig

Auf Unverständnis stieß all das bei Kommissionsvizepräsident Timmermans. „Wenn man verhandeln will, muss man auch an den Tisch kommen“, teilte er zuletzt im ORF-Interview mit. Die Zukunft des Naturwiederherstellungsgesetzes bleibt damit vorerst ungewiss. Nebst der Absage der EVP als größter Parlamentsfraktion hatten sich auch die EU-skeptische Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer sowie die rechte Identität und Demokratie gegen den Kommissionsvorschlag ausgesprochen. Kritik hagelte es außerdem von der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten und der liberalen Renew Europe.
Während Agrar- und Fischereiausschuss des Parlaments schon im Mai gegen den Entwurf stimmten, steht indes die Entscheidung des federführenden Umweltausschusses noch aus.

- Bildquellen -

  • Bauerndemo: Büro MEP Schmiedtbauer
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AUTORClemens Wieltsch
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