Almgeschichten Folge 1: „Trotzdem wollten wir im Herbst nie heim“

Elmar Monz, Tiroler Almwirtschaftsobmann, gibt Ausblick auf die Almsaison 2025 und Einblick in seine private Verbundenheit zur Alm.

Elmar konnte schon als Bub in Begleitung seines Vaters Toni Monz Erfahrungen auf der Alm sammeln.

Wie ist die heurige Almsaison angelaufen?

MONZ: Die heurige Almsaison ist gut angelaufen – zumindest da, wo schon aufgetrieben wurde. Im Oberland sind wir immer etwas später dran als im Unterland, dort geht’s ja meist schon früher los. Manche Almen fahren erst jetzt das Vieh auf. Wie viele Tiere tatsächlich oben sind, sehen wir dann mit den Auftriebslisten, meist im Juli. Aber was man so hört, dürfte es wieder passen.

Welche Herausforderungen erwarten die Almer?

Die Herausforderungen sind dieselben wie in den letzten Jahren: Beutegreifer, Personalmangel, Verbuschung, Finanzierung. Beim Thema Wolf tut sich zwar etwas – der Schutzstatus wurde auf EU-Ebene gesenkt. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Unser Ziel muss sein, dass in Almregionen eine ganzjährige Bejagung möglich ist. Und dafür müssen wir jetzt die politische Gelegenheit nutzen.

Ein Riesenfaktor ist auch das Alm-Personal. Wir brauchen gut ausgebildete Leute, die wissen, dass es auf der Alm nicht nur ums schöne Leben geht. Wer dort arbeitet, trägt Verantwortung: fürs Vieh, für die Lebensmittel, für die Menschen. Und das kostet – gutes Personal hat seinen Preis. Gerade für kleinere Almen, die ohne Fremdfinanzierung auskommen müssen, wird das immer schwieriger.

Dazu kommt die Wasserversorgung. Es gibt Almen, wo es im Sommer so trocken wird, dass man das Wasser vom Dorf rauffahren muss. Dort braucht es Programme, damit man Wasser gezielt hinleiten kann.

Und wir reden in Tirol noch immer von gut 300 Almen, die nicht erschlossen sind. Also ohne gesicherte Zufahrt, ohne Energieversorgung. Dabei ist das heute Grundausstattung – gerade für junge Leute, die auch Komfort und Sicherheit erwarten. Wenn man da nicht investiert, sperren die ersten Almen zu. Und das kann sich das Land Tirol nicht leisten – weder kultur- noch tourismuspolitisch. Die Almwirtschaft funktioniert nur, weil Leute sieben Tage die Woche mit großer Begeisterung dabei sind. Das sollte man unterstützen.

Wie verändert sich die Nutzung der Almen?

Es tut sich viel in den Betrieben im Tal: Die Milchviehbetriebe im Inntal etwa investieren in moderne Technik, setzen auf Melkroboter. Das ist grundsätzlich gut, keine Frage. Aber das hat Folgen für die Alm: Wenn im Stall gemolken wird, bleibt die Milchkuh daheim. Auf die Alm kommt dann nur mehr das Jungvieh. Wir haben in Tirol aktuell noch rund 32.000 Almmilchkühe. Für jede gibt es eine Prämie von 100 Euro – 3,2 Millionen Euro vom Land Tirol. Das ist gut investiertes Geld. Aber wenn der Trend so weitergeht, werden diese Kühe weniger. Die Almen kommen in einen Wettbewerb um aufgetriebene Tiere.

Wie kann die Almwirtschaft zukunftsfit gemacht werden?

Tirol ist bereits gut aufgestellt – wir haben fleißige Almbäuerinnen und -bauern. Die Leute sind verwurzelt, haben Herzblut, eine starke Verbindung zum Land. Und wir haben eine funktionierende Förderstruktur. Wer investiert, bekommt bis zu 40 Prozent Förderung.

Was mir Sorgen macht, ist der schwindende Respekt gegenüber der Almwirtschaft. Es wird oft nicht gesehen, was da geleistet wird. Und dass die Alm nicht mehr wie vor 50 Jahren funktioniert – das wird gern vergessen. Die Almwirtschaft muss mit der Zeit gehen. Elektrozäune, Maschinen, Regeln – das gehört dazu. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass sich die Almwirtschaft gut weiterentwickelt.

Was war dein erster bewusster Kontakt zur Alm?

Ich bin praktisch auf der Radurschlalm in Pfunds groß geworden. Mit drei Jahren war ich zum ersten Mal mit dabei, meine Eltern waren dort angestellt. Sie waren insgesamt 33 Jahre auf der Alm. Ich hab sie auch sechs Jahre lang selbst gepachtet und bewirtschaftet. Und wenn man einmal Almer ist, dann bleibt man es im Herzen.

Später hab ich dann Gemeindefunktionen übernommen, war für die Almen in Nauders zuständig, und irgendwann bin ich im Tiroler Almwirtschaftsverein gelandet. Seit rund 20 Jahren bin ich im Vorstand, inzwischen bin ich Obmann. Es ist eine große Aufgabe, aber ich mache das gern.

Was bedeutet dir persönlich ein Sommer auf der Alm?

Mit der Alm verbinde ich auch Erinnerungen an meinen Vater. Er bekam nach seiner Pensionierung die Diagnose Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Die Ärzte gaben ihm nur mehr maximal ein halbes Jahr. Daraufhin verbrachte er viel Zeit auf der Alm und mit dem Vieh. Im Frühjahr, sobald es auf die Alm ging, ging es ihm gesundheitlich besser, sobald die Almsaison vorüber war, wieder schlechter. Schlussendlich starb er erst fünf Jahre nach seiner Diagnose. Die Ärzte konnten sich das nicht erklären – doch ich glaube, die Alm hat ihm Kraft gegeben.

Meinen Brüdern und mir wird nachgesagt, die Fähigkeit als Viehkenner von unserem Vater geerbt zu haben. Als Jugendliche ist uns auf der Alm nie etwas abgegangen. Wir hatten keinen Fernseher, keinen Radio. Aber trotzdem wollten wir im Herbst nie Heim.

Gibt es eine Erinnerung, die dir besonders im Kopf geblieben ist?

Für mich ist die Alm ein Ort, wo man auf sich zurückgeworfen ist. Wo man Verantwortung trägt – aber auch zur Ruhe kommt. Eine Erinnerung hat sich besonders eingebrannt: Da ist ein junger Hirte verstorben, deshalb habe ich damals kurzfristig zwei Almen mit rund 550 Stück Vieh übernommen. Das war eine riesige Aufgabe. Ausgerechnet die schönste Kuh ist während des Almsommers abgestürzt – das hat mich persönlich sehr getroffen. Die Alm hat eben ihre Licht- und Schattenseiten.

Was wünschst du dir für den heurigen Almsommer? Für dich persönlich, aber auch für die Almen generell?

Gesundheit. Für die Menschen, für die Tiere. Wir haben  mit Krankheiten wie Blauzunge, Maul- und Klauenseuche, Rindertuberkulose zu kämpfen – das beschäftigt uns alle. Wenn wir da gut durchkommen, ist schon viel geschafft.

Ich wünsche mir auch, dass wir einen ruhigen Sommer haben – keine großen Probleme mit Großraubtieren, keine schweren Vorfälle. Wenn alle wieder gut herunterkommen, ist das das Wichtigste.

Und persönlich: Dass alles gut läuft, dass die Familie gesund bleibt, und dass man zufrieden sein kann.

Wenn du jemanden mitnehmen dürftest, der noch nie auf einer Alm war: Was würdest du ihm als Erstes zeigen?

Den Umgang mit dem Vieh. Das ist das Allerwichtigste. Wer mit dem Vieh kann, der kann sich auch auf der Alm einleben. Alles andere kann man lernen. 

Quelle: Privat
ÖR Elmar Monz, Obmann des Tiroler Almwirtschaftsvereins

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  • Elmar Monz: Privat
  • 20250606 092703: Familie Monz
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AUTORHannah Pixner
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